Landschaft und Wasserwirtschaft
Die gesamte Oberrheinebene galt bis Mitte des 19. Jh. noch als Malariagebiet, da durch die Dynamik des „wilden“ Rheins und seiner seitlichen Zuflüsse, wie z. Bsp. Weschnitz und Winkelbach im Kreis Bergstraße, das Gebiet überwiegend vernässt- bzw. versumpft war. Nur auf den leichten Erhebungen des von Nord nach Süd verlaufenden eiszeitlichen Dünengürtels konnten sich frühe Siedlungen bilden, wie z. Bsp. in Lorsch und Einhausen.
Erst mit der 1817 beginnenden Rheinbegradigung durch den badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828) [Quelle: Wikipedia] und der unmittelbar darauf folgenden Anlage von Deichen entlang des Rheines, sowie der gezielten Entwässerung der angrenzenden Flächen konnte das Land urbar gemacht werden und die Siedlungen begannen seitdem erst richtig zu wachsen.
Im südhessischen Ried wurden im Zuge der Waldrodungen und Urbarmachung alle größeren Gewässer massiv eingeengt und begradigt, einige davon sogar „angehoben“ (Gefälleoptimierung) und beidseitig mit Deichen versehen. Die teilweise vollständige Kanalisierung der Flussläufe basierte auf dem Prinzip der maximal möglichen Nutzlandgewinnung und hinterließ –neben den fehlenden Überschwemmungsflächen- auch keinen Raum mehr für natürliche Strukturen und die daran gebundenen Tier- und Pflanzenarten.
Flächen, die aufgrund Höhenlage oder Untergrundaufbau durch Grund- oder Hochwasser betroffen sein können wurden über die vergangenen Jahrzehnte oftmals besiedelt oder für die landwirtschaftliche Nutzung umgewandelt. Ein Hinweis auf vernässungsgefährdete Bereiche liefert dann der historische Gewannname, der sich auch in der Namensgebung vieler Neubaugebiete wieder findet, z.B.: „In der Lache“, im „Entenfang“.
Die ökologischen und ökonomischen Folgen des Gewässerausbaus der letzten 150 Jahre sind heutzutage weltweit sichtbar:
- Fehlende Ausbreitungs- bzw. Überschwemmungsflächen und der damit verbundene Verlust des Puffer- und Speichervermögens einer natürlichen Gewässertrasse lassen schadhafte Hochwasserereignisse früher und häufiger auftreten.
- Die Begradigung und Kanalisierung eines Gewässers verursachen auch bei Hochwasser höhere Fließgeschwindigkeiten. Dadurch ändert sich das Hochwasser-Abfluss-Regime des ganzen Flussgebietes. Durch den schnelleren Zusammenfluss vieler kleiner Gewässer- bzw. Seitenzuläufe und durch die Stoßbelastung aus den versiegelten Siedlungsbereichen treten im Hochwasserfall höhere Wasserstände/Hochwasserspitzen als bei natürlichen Flussläufen auf.
- Höhere Fließgeschwindigkeiten verursachen stärkere Erosion, was in Folge zu häufigeren und größeren Schäden (Bsp. Bauwerksunterspülung) – und Instandhaltungsaufwand führt.
Der Verlust natürlicher Gewässer- und Uferstrukturen hat in Folge auch zu einer massiven Beeinträchtigung des Naturhaushaltes geführt:
- Die an die Unterwasservegetation und die an Wasser- und Uferpflanzen gebundene Insektenwelt reduziert sich in der Artenvielfalt – und Anzahl aufgrund Lebensraumverlust – kontinuierlich.
- Mehr als ein Drittel der heimischen Wassertierarten sind inzwischen verschwunden, Tendenz steigend. Viele, ehemals stabile Vorkommen gelten inzwischen als gefährdet.
- Die an das Gewässer „gebundene“ Vogelwelt reduziert sich analog aufgrund fehlender Nistmöglichkeiten und Nahrungsmangel.
- Die nicht zu unterschätzende Selbstreinigungskraft eines Oberflächengewässers mit intakten natürlichen Strukturen kann –je nach Kanalisierungsgrad- vollständig verloren gehen.
- Der fehlende Biotopverbund im Offenland der Oberrheinebene, dessen räumliche Vernetzung (z. Bsp. als Wander- und Ausbreitungsachsen) wenn überhaupt, dann oftmals nur noch als schmaler und minderwertiger Gehölzstreifen am Rande eines Grabens vegetiert.
Die primären Aufgaben des Gewässerverbandes liegen in der Sicherstellung des ordentlichen Abflusses aller natürlichen Oberflächengewässer, sowie des in die Flüsse und Bäche abgeführten Regenwassers und der Kläranlagenabflüsse aus den Siedlungsgebieten.
Die Gewässerunterhaltung beinhaltet im Weiteren sämtliche Maßnahmen zur Sicherstellung des größtmöglich-schadensfreien Hochwasserabflusses.
Dabei können Maßnahmen auch abseits eines Gewässers notwendig werden. Eine Hochwassergefährdung angrenzender Flächen oder Bauwerke besteht potentiell an jeder Stelle im Nahbereich eines Gewässers. Zum Beispiel durch Einengung- bzw. Verlegung des Abflussquerschnittes mit schwimmenden Treibgut wie Baumstämme und Astholz, Grünschnitt, aufgeschwommene Heuballen, Wohlstandsmüll etc.
Während eines Hochwassers ist es für die Gefahrenabwehr u.U. nicht möglich, eine sich einstellende Gefährdung unmittelbar zu bereinigen, da diese aufgrund der räumlichen Situation und Abflussentwicklung nicht mit erforderlichem Gerät andienbar ist.
Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, verursacht durch Aufstau und rückwärtige Überflutung, aber auch durch unkontrollierte Überströmung, Erosion und Sedimentumlagerungen, sind regelmäßige Folge nach größeren Hochwasserereignissen.