Historische Flussläufe im Ried
Rhein und Altneckar
Die Strukturen ehemaliger Bäche und Flüsse sind auf allen Landkarten des Hessischen Rieds zu erkennen. Trotz einer sehr starken Veränderung durch Verkehrsinfrastruktur, zunehmender Zersiedlung und agrarindustrieller Produktionsflächen sind die Mäander eines großen Flusses, unmittelbar westlich der Bergstraße bis zur heutigen Mainmündung, sichtbar. Es handelt sich hierbei um den alten Verlauf des Neckars, der vom Eintritt in die Rheinebene bei Heidelberg Richtung Norden führte und entlang der Bergstraße alle aus dem Odenwald kommenden Gewässer auf kurzem Weg aufnahm.
Der natürliche Wasserabfluss von Ost nach West ist wegen des parallel zum Odenwaldrand verlaufenden Sanddünengürtels bis zum heutigen Tag nicht möglich. Nachdem vor ca. 10.000 Jahren der historische Neckar seinen Abfluss entlang der Bergstraße aufgrund des – nach Westen erfolgten – Dünendurchbruchs bei Heidelberg verlor, die Gewässer des Odenwaldes jedoch weiterhin in die Rheinebene flossen, bildeten sich über lange Zeiträume hinweg wechselnde Wasserläufe, Stillwasserbereiche und Versumpfungszonen im Bereich der ehemaligen Altneckartrasse, die aber weiterhin von Weschnitz und Seitengewässern durchflossen wurde.
Viele dieser – inzwischen “verlandeten“ Flussschlingen entlang der Bergstraße sind heute noch gut zu erkennen. Rundbogenartige Geländeformationen mit Bruchkannten von mehreren Metern Höhenunterschied, aber auch die unterschiedlichen Bodenarten beidseitig dieser – noch altsteinzeitlichen – Gewässertrassen, weisen auf historische Flussläufe hin.
Als gutes Beispiel dient der Ortsteil Rodau, westlich von Zwingenberg an der Bergstraße: Rodau liegt inmitten einer historischen Neckarschleife auf einer bis zu 4 m mächtigen Deckschicht ehemaliger Aue-Lehme, die als schwarze Ackerböden außerhalb der Siedlungsflächen in Teilen gut sichtbar sind.
Altneckarschleife bei Zwingenberg-Rodau
Altneckarschleife bei Zwingenberg,
im Grundwasserlauf noch erkennbar
Noch stärker geprägt ist das Hessische Ried aber vom Wildstromcharakter des Rheins. Zwar führten die Korrekturmaßnahmen nach den Plänen von Johann Gottfried Tulla (1770-1828) ab 1817 in der gesamten Rheinebene zu grundlegenden Strukturveränderungen, doch blieben die topografischen und geologischen Gegebenheiten unverändert. So sind die ehemaligen Flussschleifen, welche durch die Rheinbegradigung abgetrennt wurden und mit der Zeit allmählich verlandeten aufgrund ihrer fruchtbaren Böden heutzutage attraktive Flächen für die Landwirtschaft. Bei hohem Grundwasser oder auch lang anhaltenden Rhein-Hochwasserständen vernässen diese jedoch auch sehr schnell. Im Bereich ehemaliger Flussläufe liegen heute viele Ausbaggerungsbetriebe, welche die –in der Bauindustrie sehr begehrten – Flusskiese und Sande aus den tieferen Schichten fördern. Nach Ende des Abbaus füllen sich die Entnahmebereiche mit Grundwasser und mutieren nicht selten zu beliebten Freizeit- oder Naherholungsbereichen (… im Volksmund: „Baggersee“).