Topographie im Kreis Bergstraße

Charakteristik der Einzugsgebiete

Das Niederschlags-Einzugsgebiet der beiden größten Gewässer im Kreis Bergstraße, Weschnitz und Lauter-Winkelbach, ist charakterisiert von zwei geografisch gegensätzlichen Landschaften.

Im Osten der Odenwald, ein viel gegliedertes Mittelgebirge, im Westen das südhessische Ried im nördlich auslaufenden Oberrheingraben.

An der Trennungslinie der beiden Landschaftstypen verläuft die Bergstraße (B 3) von Nord nach Süd.

“Übersichtskarte Landkreis Bergstraße / Südhessen
Quelle: GIS Kreis Bergstraße, bearbeitet durch GVB, Juni 2019

Die Mittelgebirgsbäche des vorderen Odenwaldes sind schnellfließende, sauerstoffreiche, klare und normalerweise auch saubere Gewässer mit starkem Gefälle. Während im Bergland die Gewässer an ihrer topografisch natürlichen Stelle im Talgrund liegen und mit wechselndem Gefälle dem Flachland der Oberrheinebene zufließen, zeigt sich im Ried ein vollkommen anderes Bild.

Ebene Flächen ohne ausgeprägtes Gefälle vom Mittelgebirgsrand bis zur Rheintrasse. Zu erkennen sind Strukturen alter Flußmäander von Rhein und Altneckar, sowie eiszeitliche Sanddünen, die sich von Trebur im Norden bis über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg im Süden verfolgen lassen. Westlich der Dünenkette liegen die verlandeten Schlingen ehemaliger Rhein-Mäander, östlich davon sind vielerorts noch Spuren der ehemaligen Altneckartrasse zu erkennen.

Vor der Beeinflussung durch den Menschen glich das Ried einem bewaldeten Sumpfgebiet („Bruch“) mit sich ständig verändernden Wasserläufen. Aufgrund der Vernässung befassten sich schon frühe Siedlungsgemeinschaften, wie sie zum Beispiel auf den Dünenhügeln von Lorsch und Einhausen entstanden, mit einer Regulierung der Wasserabflüsse zur besseren Nutzung der fruchtbaren Überschwemmungsböden.  

Durch die teilweise bereits im Mittelalter begonnenen Befestigungs- und Ausbaumaßnahmen liegen die Gewässertrassen oftmals auf Geländeniveau oder darüber, eingeengt durch beidseitige Flussdeiche. Die Linienführung ist überwiegend bis vollständig kanalisiert. Die natürlichen Überschwemmungsbereiche wurden dadurch, zugunsten der angrenzenden Landnutzung, vom Gewässer abgetrennt. Dabei gingen die natürlichen Puffereigenschaften bei Hochwasser verloren.

Der Landgrabenausbau erfolgte 1435, die Anlage der „Neuen Weschnitz“ zwischen Weinheim und Lorsch 1535 – 1544, der Ausbau der „Schwalbenzahl“ (Entwässerung Sulzbach, Hemsbach und Laudenbach)  1539.

1579 – 1580 wurde der „Neue Graben“ zwischen dem Rinnentor Bensheim und der Wattenheimer Brücke bei Lorsch als Hochwasserentlastungsgerinne von der Lauter zu Weschnitz gebaut.

Der (heutige) Neugraben kann diese Funktion aber aufgrund seiner Verrohrung in der Stadt nur noch bedingt erfüllen und dient vornehmlich der Regenentwässerung der Bensheimer Weststadt.

Die im Spätmittelalter durchgeführten Regulierungsmaßnahmen sollten das Oberflächenwasser schnell von den – damals noch sehr kleinen – Siedlungsflächen wegleiten bzw. Hochwasserereignisse schadlos durchleiten.

Insgesamt nahm die Hochwassergefahr durch die Einengung der Überschwemmungsräume und durch Ausbreitung der Siedlungsflächen aber zu.

Bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts wurden viele Maßnahmen und Pläne erstellt, diskutiert und wieder verworfen, um dem Wasser im Ried Herr zu werden.
Mit der Ausarbeitung des sogenannten „Generalkulturplanes“ im Jahr 1929, der die Verbesserung der Wasser- und Bodenverhältnisse im gesamten Ried zum Ziel hatte, wurden in den folgenden 10 Jahren weitere wasserwirtschaftliche Regulierungsmaßnahmen, vornehmlich aber die Kanalisierungen bestehender- und Anlage neuer Grabensysteme baulich umgesetzt.

 

Der Bau und Betrieb mehrerer großer Trinkwassergewinnungsanlagen in Verbindung mit Wasserentnahmen für die industrielle Nutzung im Rhein-Main-Gebiet führte ab etwa 1960/1970 zu großflächig sinkenden Grundwasserständen. Die Notwendigkeit, die umfangreichen Grabensysteme zu pflegen, verlor an Bedeutung. Im Jahr 2001 wurden aufgrund niederschlagsreicher Jahre sowie einer reduzierten Trinkwasserförderung jedoch wieder Grundwasserstände erreicht, wie sie letztmals vor 30 Jahren gemessen wurden. Diese hielten bis 2003 unverändert an, sanken im Folgenden und erreichten in den Frühjahren 2011 und 2013 erneut (teilw. historische) Höchststände.

Quelle: Fotoclub Bürstadt, S. Mutsch & W. Lausecker

Luftbild Polder Lorsch,
Teilfüllung während dem Hochwasser im Januar 2011,
Blickrichtung Südost



Die Niederschläge liegen im Odenwald mit ca. 1.100 mm/Jahr fast doppelt so hoch wie im Ried mit ca. 600 mm/Jahr. Prägend ist außerdem das riesige Grundwasserreservat im Oberrheingraben mit all seinen Erscheinungen durch schwankende Wasserstände. Bei besonders hohen Grundwasserständen, wie sie zuletzt im Frühjahr 2011 und 2013 auftraten, füllen sich – sonst kaum wahrnehmbare – Geländesenken „von unten“ mit Grundwasser und lassen – aus der Luft gesehen – ehemalige Flussläufe wieder an das Tageslicht kommen.